19-04-05_PM_Hornbach_Dialog_Interview (DE)
Ausgabe
002/2019
[revidiert]
Datum
05.04.2019
„Sie sind zu
schnell und zu kräftig zu bewältigen“
[EXKLUSIV] Interview mit einer Teilnehmerin
an dem „offenen“ Gespräch
Kim
Yu-jin*, eine Südkoreanerin aus der Schweiz, machte sich auf den Weg zum
Firmenhauptquatier von Hornbach am 1.4.2019. Die Fahrt zwischen Luzern und
Bornheim bei Landau dauerte insgesamt 9 Stunden, das Gespräch nur drei. Kim
erwartete Menschen mit „einer bösen Absicht“ hinter der fragwürdigen
Werbekampagne „So riecht das Frühjahr,“ denn sie hielt den Werbefilm für einen „unverkennbaren
Fall von Rassismus und Sexismus“ gegen Asiatinnen. Was sie tatsächlich
hinter der geschlossenen Tür entdeckte war etwas „noch viel
Ernsthafteres—die Unfähigkeit einer ganzen Gesellschaft, ihre Probleme mit dem
Rassismus und Sexismus gegen Asiatinnen einzusehen und zu überarbeiten.“ „Fassungslos“
schaue das Unternehmen auf die rasant steigende Zahl der Teilnehmenden an der Petition
(http://chng.it/49shR2kLyM) gegen die Werbekampagne, die nach nur 8
Tagen die 31.000 Marke erreicht. Die Petitionsunterstützer seien „zu schnell
und zu kräftig,“ rutschte aus Versehen aus dem Mund der Werbeleiterin. Ist
das Bornheimer Unternehmen überhaupt in der Lage, die Krise zu bewältigen?
KÖLN
(*Der
Name wurde auf Wunsch der Interviewpartnerin verändert.)
Vor
knapp fünf Jahren kam Kim Yu-jin in die Schweiz. Sie wollte ihr Leben und ihre
Karriere neu starten. So fand die ehemalige Management-Expertin aus Südkorea
neue Arbeit als Ingenieurin und auch eine neue Identität—eine Asiatin in
Europa.
„Mein
Freundeskreis in der Schweiz besteht aus grob drei Nationalitäten—deutsch, schweizerisch
und ‚international‘. Obwohl diese Gruppen sich untereinander gut
verstehen, passiert manchmal Diskriminierungen, und es ist ein schwieriges
Thema zu besprechen.“
Um so
mehr war die Ingenieurin schockiert, als sie die nun heftig kritisierte Werbung
von Hornbach entdeckte. „Die Werbung kursierte unter der Beschreibung, dass
es sich um rassistisches Material handele.“ Und das stimmte. Sie war „unter
dem totalen Schock,“ als sie die Werbung zum ersten Mal sah. Denn die
46-sekündige Werbung stelle eine Asiatin als ein Sexobjekt für weiße
europäische Männer dar. Die Reaktion ihrer internationalen Freundinnen, dass „so
etwas in Deutschland Gang und Gäbe“ sei, machte sie zum zweiten Mal
wortlos. Was ist los mit Deutschland?
„Ich
habe keine Angst davor, zu meinen Feinden zuzugehen,“ antwortete die gebürtige Koreanerin mit kühlen und
sorgfältig ausgesuchten Worten. „Nur die Bahnfahrt war lästig, denn der Zug
hatte eine Stunde Verspätung.“ Warum benutzt sie so harte Wörter? Sie
empfand die Werbekampagne als eine „Attacke“ auf ihre Würde und
Persönlichkeit als in Europa lebende Asiatin.
„Ich
wurde vor allem neugierig. Mit was für einem Unternehmen und Menschen habe ich
denn zu tun? Ich wollte mir selber ein Bild von meinen Feinden machen. Zudem
noch hatte ich was zu sagen, und Hornbach versprach, uns zuzuhören. Ich kann
nicht anders als das, was ich denke, auszusprechen.“
Im
Bornheimer HQ des Unternehmens empfingen vier Personen drei Asiatinnen, die
sich trotz der kurzfristigen Terminierung in die Pfälzische Idylle begeben
konnten. Eine Frau, die sich als Werbeleiterin vorstellte, Florian Preuß, der
PR-Leiter des Bornheimer Unternehmens, eine weitere PR-Frau, und Maik Richter
von der Werbeagentur Heimat Berlin. “Es gab keinen einzigen Journalisten.”
Kim
spürte die Unsicherheit der Werbeleiterin ziemlich schnell. „Auf einem Punkt
hat sie gesagt, dass die Petition-Unterzeichnerinnen ‚zu schnell und zu kräftig
zu bewältigen’ war.“ In der Pressemitteilung, die später von dem
Pfälzischen Unternehmen in die Postfächer der deutschen Journalisten geschickt
wurde, fand man nirgendwo eine Spur solcher Unsicherheit. „Sie wirkten
überfordert. Ich machte mir Sorge über ihren fehlenden Kompetenz, um dieses
Problem konstruktiv zu lösen. Kein einziger Vertreter des Unternehmens und der
Werbeagentur hatte die Fähigkeit, das Gesamtbild der Krise der Firma zu sehen,
inklusive der Positionen der Asiatinnen.“
Ihre
Mitstreiterinnen, die sie zum ersten Mal traf, wiesen auf den Einfluss der
Werbebilder auf die deutschen Zuschauern hin, vor allem in ruralen Orte wo nur
wenig Asiatinnen wohnen. Eine von ihnen nannte die missglückte Werbeaktion der
italienischen Modemarke Dolce & Gabbana als Beispiel. November 2018 löste
das Designer-Duo heftige Kritik in China aus, als es für seine erste große
Modenschau in Shanghai einen Imagefilm drehte. In dem Film versuchte eine
asiatische Frau mit Stäbchen Spaghetti zu essen—ohne Erfolg. Eine
herabwürdigende Darstellung der Asiatinnen, kritisierten Menschen aus China. Erst
als Chinesische Promis ihre Teilnahme an der Modeschau absagten, bemerkte die
Modemarke, die Ernsthaftigkeit der Lage. Zu spät. Denn die Modenschau als
solche wurde gecancelt.
Kim
äußerte ihre Sorge um die zweite Generationen der Asiaten in Europa. „Für
uns Ausgewanderten mag solche stereotypische Darstellung der Asiatinnen kein
Problem sein, weil wir wissen, wie wir, Asiatinnen, tatsächlich sind. Aber für
die Generation, die in Deutschland geboren sind und aufwachsen, hat solche
Werbung eine ganz andere Bedeutung und könnte sie zum Mobbingobjekt machen.“
„Mit
noch schwereren Herzen“ fuhr Kim nach
Luzern zurück. Als sie am nächsten Tag erfuhr, dass das Unternehmen sich zwar
entschuldige, jedoch die Werbung weiter treiben wolle, schüttelte sie ihren
Kopf. „Um ein Zufall zu sein beinhaltet diese Werbung allzu viele
stereotypische Bilder der Asiatinnen als Sexobjekt für weiße Männer, und diese
Bilder werden nun unreflektiert weiter verbreitet. Hornbach will mit diesem
Stereotyp brechen, aber weder das Unternehmen noch die Werbeagentur hat dafür
die notwendige Kompetenz. Hornbachs Absichtserklärung könnte ernst gemeint
sein, es ist trotzdem problematisch, dass das Unternehmen seine Position nicht
verändert, obwohl die Werbung eindeutig eine Gegenwirkung hat—anders als seine
‚Intention‘.“
Für
Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung:
Kampagne #Ich_wurde_geHORNBACHt
Email:
gehornbacht@posteo.de
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Die
Kampagne #Ich_wurde_geHORNBACHt entstand, um das öffentliche Bewusstein über
die rassistische und sexistische Diskriminierung gegen Asiat*innen im Werbefilm
„So riecht das Frühjahr“ von der Hornbach Baumarkt AG aufzuwecken. Die Gruppe
besteht aus derzeit 96 Frauen und Männern unterschiedlichster Nationalitäten.
Wir stehen für interkulturelle Diversität und fordern von Hornbach eine Entschuldigung
und die Beendigung der Ausstrahlung.
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